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Schlüsselmusik

Die Kraft der Musik

Ein Interview von Melanie Kirschstein mit Markus Stockhausen

Aus: Andere Zeiten – Magazin zum Kirchenjahr 3/2018

© Eda ZariMarkus Stockhausen im Einsatz beim WDR 2015

Sie sind Sohn eines Vaters, der die Musikgeschichte geprägt hat. Hat Ihr Vater Sie geprägt, was die Verbindung von Musik und Spiritualität angeht?

Mein Vater war ein sehr religiöser Mensch. Alle seine Werke, von den 50er Jahren an, waren spirituell geprägt. Die Weite in seiner Musik hatte eine sprengende Dimension, das war neu. Wir haben sie als Kinder mit allen Poren aufgesogen. Zuhause gab es immer Tischgebete, sowie kurze Meditationen vor dem Essen. Sehr früh hat er uns auch spirituelle Literatur geschenkt, etwa von dem großen Sufimeister Hazrat Inayat Khan, der auch Musiker war. In dessen Texten spürt man eine unglaubliche Feinfühligkeit, eine tiefe Weisheit und auch eine Musikalität in der Sprache. Ich habe diese Texte geliebt und liebe sie noch. Dann kamen die Stücke meines Vaters, bei denen ich mitspielen durfte. Die intuitive Musik, die mein Vater formuliert hatte, habe ich in den 80er Jahren aufgegriffen und seither weiterentwickelt. Ich mag diese Musik, wo der freie, reine Geist die Musik lenkt.


Sie machen regelmäßig Workshops für intuitive Musik und bringen den Musikern bei, in besonderer Weise aufeinander zu hören. Sie beschreiben dieses Zuhören als eine spirituelle Dimension. 

Beim Improvisieren muss man nicht nur auf sich selber hören, sondern gleichzeitig auch auf alle anderen. Das ist die Herausforderung. Gemeinsam schafft man eine Musik, die ganz aus dem Augenblick heraus geboren wird. Da hat man eine Verantwortung, und gleichzeitig genießt man es. Wir erleben zum Beispiel in der Politik, dass Menschen sich nicht zuhören können, sondern jeder nur sich und seine Interessen durchsetzen will. Das wäre die Zukunft der Menschen, ganz allgemein und nicht nur in der Musik: dass wir aufeinander hören lernen, uns gegenseitig respektieren, Raum geben. Ich haben kürzlich den Dalai Lama erleben dürfen. Ihm geht es um eine neue säkulare Ethik jenseits von Konfessionen, die durch und durch von Respekt, Mitgefühl und Achtsamkeit geprägt ist. Das sind die Begriffe, an denen wir uns als Menschheit orientieren müssen, wenn wir in eine lebenswerte Zukunft gehen wollen. Überall da, wo unser Wohlstand mit Ausbeutung, Zerstörung und Verschmutzung einhergeht, sind wir auf dem falschen Weg.

Ist denn Musik für Sie mit Ethik und Werten verbunden?

Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Die Gesetzmäßigkeiten, die sich in der Musik zeigen, lassen sich auf viele andere Lebensbereiche übertragen. Man hat mit Harmonie und Polyphonie (Vielstimmigkeit) zu tun, mit Gegensätzlichkeit, Kontrasten und Dissonanzen. Aber man spürt, dass sie alle in einen Rahmen, in ein Ganzes eingebettet sind. Es gibt immer einen Gesamtklang, und man ist Teil davon. Mir macht bei der Musik auch meine Arbeit mit den Menschen viel Freude. Es ist mir ein innerstes Anliegen, Menschen auf ihrem Lebensweg zu helfen - musikalisch und persönlich. Und zumindest das weiterzugeben, was mir selbst gutgetan hat. Zu lauschen, was braucht der andere, wie kann ich ihm seinen nächsten Schritt ermöglichen.


Es geht immer um den Zusammenklang, und nicht darum, dass einer sich durchsetzt. Ist es das, was die intuitive Musik uns lehren kann?

Ja, ich nenne das „ego-loses Spiel“. Das bedeutet: Ich nehme mich zurück, wenn mein Beitrag vorbei ist. Ich muss mich nicht beweisen oder auftrumpfen und die anderen an die Seite spielen, wie es im Jazz ja manchmal der Fall ist. Hier geht es um ein Erspüren: Was will in diesem Moment erklingen? Was ist die Qualität dieses Momentes – der Kairos? Es geht um etwas Überpersönliches. Und man kann das Miteinander, das Zuhören durchaus üben! Aber die musikalischen Fähigkeiten des Musikers gehören natürlich genauso dazu, sie sind die Grundlage des Spiels. Wenn der Musiker nicht vorbereitet ist, kann er auch nichts Differenziertes ausdrücken.

Wie sind sie auf die Idee gekommen, Workshops mit Stille und Klang anzubieten und in Meditationsräume zu gehen?

Das war eine ganz langsame Entwicklung, die Ende der 90er Jahre begann. Ich hatte plötzlich den Impuls vor Konzerten mit den Leuten zu singen. „Einstimmung“ habe ich das genannt. Wir saßen im Kreis und haben zusammen getönt. Mein Ausgangspunkt war eine persönliche Erfahrung, als ich eines Tages merkte, dass in der Verbindung von bewegtem Hatha-Yoga und Singen ganz viel in mir passierte. Mit dem Singen oder Tönen, wie es ja gerne genannt wird, kann man leicht und sehr intensiv zu sich selber kommen. Es ist wie ein Königsweg. Man muss nicht über komplizierte Anleitungen sich selber finden, sondern das geschieht ganz unmittelbar im Erleben des Klanges. Und wenn der Klang verklingt, ist Stille da. Man erlebt die Stille als Nachklang. Das hinterlässt eine Schwingung in all unseren Zellen. Und aus der Stille kommen dann wieder die nächsten Töne. Die Musik ist eine starke Brücke zum Seelischen. Sie ist die Sprache der Seele, wie Khan sagt.

Sie sprechen auf einer CD von Musica Sacra, von Musik, die nach innen führt und heilig ist. Was ist das Heilige in der Musik?

Das entsteht in dem Moment, wenn man Zeit und Raum überschreitet und durch die Musik angeregt in eine innere, geistige Welt kommt. Man hat das Gefühl, den Alltag hinter sich zu lassen und anzukommen, sich verbunden zu fühlen. Heilig - heil, das heißt ja „ganz“. Wenn man ganz im Klang oder der Stille aufgeht und ein tiefes Gefühl von Zuhause, von Verbundensein hat.


Was ist ihr nächstes Ziel?

Ich gebe weiter Seminare und viele Konzerte. Das macht mir Spaß und ich habe tolle Partner. Wohin das geht, kann ich nicht sagen. Ich versuche jeden Tag in der Stille zu spüren, was ich besser machen könnte, was das Nächste ist - es zeigt sich. Ich nenne das den täglichen Seelenabgleich. Man gibt dem inneren und dem höheren Geist bewusst Raum sich mitzuteilen. Es gibt viele Begriffe dafür: dass uns die Engel etwas zuraunen, dass man einfach offen ist für die Weisheit des Universums oder für unser höheres Selbst. Ich glaube an eine höchste Intelligenz, die in jeden von uns mit unermesslicher Liebe und Weisheit wirkt, und die uns immer wieder erneuert, jeden Tag, jede Nacht. Es ist eine Freude, Menschen zu beleben und ihnen zu helfen sich zu erinnern an diese tiefe Dimension, an ihre tiefsten Sehnsüchte und Werte. Dass Menschen die Kraft aus ihrer tiefsten Quelle erfahren können, ist der mögliche Dienst der Musik und auch der Kirche an den Menschen. Die Quelle ist in dir und mir. Das ist ja auch reformatorische Weisheit, dass jeder Mensch einen direkten Draht zu Gott oder dem Absoluten hat oder haben kann. Wir sind nicht getrennt, sondern ewiger Teil des Ganzen.

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Zur Person

© Elfi Kleiß

Markus Stockhausen ist als Trompeter, Improvisator und Komponist im Jazz genauso zuhause wie in der zeitgenössischen und der klassischen Musik.

Der 1957 geborene Musiker konzertierte 25 Jahre lang mit seinem Vater, dem Komponisten Karlheinz Stockhausen. Heute spielt er ausschließlich seine eigene Musik und gibt Kurse zu den Themen „Intuitive Music and More“ und „Singen und Stille - Wenn die Seele singt“.

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Wir danken 'Andere Zeiten' für die Veröffentlichung dieses Interviews.

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Tu, was zu tun kannst.
Und dann ist gut, denn mehr geht nicht.
Alles weitere kann ich in die Hände Gottes legen
und darauf vertrauen, dass er es wohl gut mit mir meint.
(Carsten Tag zu Prediger 9,10)

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