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Schlüsselmusik

Singen ist uncool ...

Ein Interview mit Nils Olfert, Musiker der A-Cappella-Formation „Alte Bekannte“

aus dem Werkbuch der Evangelischen Kirche im Rheinland: Singen - jede Stimme zählt, 2011

Das Interview führte Elke Wisse

© Alte BekannteDie A-Cappella-Formation „Alte Bekannte": Clemens Schmuck, Ingo Wolfgarten, Daniel „Dän“ Dickopf, Nils Olfort und Björn Sterzenbach (v. links)

Wie bist Du zum Singen gekommen?
Bei mir hat das Singen mit einer ganz klassischen Ausbildung begonnen. Der damalige Leiter des Kieler Knabenchores ist 1982 in die Grundschulen gegangen und hat nach Nachwuchssängern gesucht. So bin ich mit sechs Jahren in den Knabenchor gekommen. Zuvor hat meine Mutter schon im Kleinkindalter viel mit mir gesungen. Sie hat mir letztendlich den musikalischen Weg bereitet. Mein Start ins musikalische Leben war der Eintritt in den Kieler Knabenchor.

Welche Erfahrung hast Du mit dem Knabenchor gemacht?
Ich habe sehr viele positive Erinnerungen an diese Zeit, vor allem an die Konzertreisen nach Italien, Israel, Moskau und Skandinavien. Ich musste dreimal in der Woche zur Probe, aber ich kam mir dabei nicht uncool vor. Ich fand es toll.

Warum ist das Singen bei Jugendlichen heutzutage so unbeliebt?
Für viele Jugendliche ist gerade die klassische Musik, vor allem klassische Chormusik, uncool und sie lassen sich daher gar nicht erst auf die Musik ein. Das finde ich schade. In der Musik sollte man alles mal gehört haben, man muss nicht alles gut finden und mögen, aber man muss es gehört haben, um es beurteilen zu können. Das finde ich wichtig. Bei den Jungen ist das Singen gerade in der Pubertätsphase schwierig, nicht nur wegen des Stimmbruchs. Ich glaube, in der heutigen Gesellschaft gilt das Singen als uncool. Warum das so ist, kann ich nicht sagen, denn beispielsweise die Casting Shows im Fernsehen zeigen eigentlich genau das Gegenteil. Ich glaube, dass heutzutage schon in den Familien nicht mehr so viel gesungen wird, obwohl wir das Singen schon seit Urzeiten in uns haben. Meine Mutter hat viel mit mir gesungen, sie hat mir Kinderlieder vorgesungen, Singspiele mit mir gemacht, obwohl sie selber gar kein Instrument spielt. Viele Eltern nehmen sich nicht mehr die Zeit, mit ihren Kindern zu singen oder sie kommen sich selber komisch vor. Wenn ich Kinder hätte, würde ich viel mit ihnen singen, denn das Singen ist eine urtypische Art, Emotionen zu transportieren und dadurch den Kindern positive Gefühle mitzugeben. Viele Eltern haben Scham zu singen, weil sie denken, dass sie nicht singen können.

Warum singt das Publikum bei den Konzerten der Wise Guys?
Man kann sich zum einen gut in der Masse verstecken. Wenn der Nachbar neben mir laut und inbrünstig singt, dann kann ich mich auch trauen. Das ist sicher eine Art Massenphänomen. Die Menschen trauen sich, wenn viele um sie herum auch singen. Zum anderen liegt es daran, dass unsere Stück sehr melodisch und sehr eingängig sind. Bei einigen Stücken animieren wir das Publikum, mitzusingen, damit es merkt, dass es Spaß macht zu singen. Oft werden wir nach den Konzerten angesprochen, dass das Singen Spaß gemacht hat.

Heißt das im Folgeschluss, dass man für das gemeinschaftliche Singen einen „Animateur“ braucht?
In einer Massenveranstaltung wie unseren Konzerten, ja. Da fällt es leichter zu singen, wenn man eine Aufforderung bekommt. Generell hängt es sicher auch davon ab, wie man sich mit der Musik identifiziert, ob man die Musik gerne hört, ob man der Musik kritisch gegenüber steht, ob sie sich zum Mitsingen eignet, und so weiter. Da kommen viele Kriterien zusammen, die das Singen positiv begünstigen können.

Würde das erklären, warum in der Kirche nicht mehr so oft gesungen wird?
Vielleicht. Es wird zwar schon versucht, moderne Lieder in die Gesangbücher aufzunehmen, die aber trotzdem manchmal eine schwergängige Melodie haben oder Texte, die nicht mehr ganz zeitgemäß sind.

Was müsste Deiner Meinung nach in der Kirchenmusik getan werden, damit die Gemeinde in den Gottesdiensten wieder singt?
Grundsätzlich müssten mehr junge Leute in die Kirche kommen. Die Themen sollten so gewählt sein, dass sich auch junge Leute angesprochen fühlen, in die Kirche zu gehen. Es wäre sicher interessant, einige Lieder zu verändern, moderner zu machen, dem Zeitgeist anzupassen. Das heißt nicht, dass die guten alten Choräle nicht mehr zählen. Es gibt viele Lieder, die gut sind und auch einen bleibenden Wert haben. Es ist auch oft die Art, wie die Lieder vom Organisten begleitet werden. Ich habe es schon erlebt, dass der Organist nicht auf die Gemeinde eingeht, sondern seinen eigenen Stiefel an der Orgel durchzieht, so dass die Gemeinde keine Chance hat, mitzusingen. Jeder merkt, ob Musik mit Spaß verbunden ist. Wenn dieser Spaß nicht rüber kommt – auch wenn es sich um ein ernstes oder
wichtiges Thema handelt –, dann merkt das der Zuhörer sofort.

Kann jeder singen?
Meiner Meinung nach kann jeder singen. Es gibt Abstufungen, die einen sind musikalischer als andere. Aber im Grunde ist jeder auf irgendeine Art musikalisch. Nicht jeder kann und muss absolut sicher die Töne treffen. Aber schon das vorsichtige Mitwippen des Taktes mit dem Fuß und das leise Mitsummen der Melodie ist ein Ausdruck von Musikalität. Bei unseren Konzerten merken wir, dass eine ungeheure Kraft und Energie entsteht, wenn viele Menschen zusammen singen.

Kann man das Singen lernen?
Bis zu einem gewissen Grad kann selbst der Unmusikalischste das Singen lernen. Er wird sicher nicht der perfekte Sänger, da gibt es wie in allen Berufen oder Schulfächern Unterschiede. Ich war beispielsweise nie der perfekte Mathematiker, trotzdem beherrsche ich die Grundrechenarten und auch ein bisschen mehr.

Die Wise Guys machen a cappella-Musik beziehungsweise Pop-Vocal. Wo liegt der Reiz für Dich?
Es ist wahnsinnig interessant, einen Klang ohne Instrumente, nur mit Stimmen zu produzieren. Wir versuchen Instrumente zu imitieren nur mit der Stimme. Das ist eine Herausforderung, die sehr viel Spaß macht, weil man seine Stimme mal ganz anders kennenlernt. Indem wir viel ausprobieren, entstehen immer wieder neue Sounds.

Mouth Percussion oder Beat Boxing übt einen gewissen Reiz auf Jugendliche aus. Ist es ein neuer Zugang zum Singen?
Das kann ich mir gut vorstellen. Mouth Percussion ist ja nur ein Aspekt des Singens und ein sehr spezieller dazu, aber ich kann mir vorstellen, dass Jugendliche über diesen Weg einen neuen Zugang zur Musik bekommen.

Wie kann man Jugendliche motivieren zu singen?
Man muss es mit den Jugendlichen praktizieren. Gerade im Musikunterricht in der Schule sollte man die ganze Bandbreite der Musik den Jugendlichen vorstellen. Ich habe im Musikunterricht einen Lehrer gehabt, der uns viele Facetten der Musik gezeigt hat, so dass wir selber in der Lage waren, Musik zu beurteilen. Viele Jugendliche wissen gar nicht, wie klassische Musik klingt, wie sie einen berühren kann.

Wer kennt heute schon den tibetanischen Kehlkopfgesang oder Jazz?
Da sind die Schulen gefragt, die jungen Leute an die Musik und damit auch an das Singen heran zu führen. Und neben dem Hören und Kennenlernen muss natürlich auch das praktische Musizieren, vor allem das Singen mit eingebunden werden. Aber grundsätzlich ist es wichtig, das breite Angebot zu präsentieren. Auch wenn wir heute über CD und Internet theoretisch alles anhören könnten, wissen trotzdem die meisten nicht, was es alles gibt.

Die Wise Guys unterstützen Initiativen wie „Primacanta“ oder „Il canto del mondo“. Warum ist das für Euch wichtig?
Wir wollen das Singen noch prominenter machen. Wir möchten, dass gerade in den ganz jungen Jahren die Kinder an das Singen herangeführt werden. Gerade in Kindergärten und den Grundschulen sollte das Singen im Vordergrund stehen, nicht der Musikunterricht, also das Notenlesen, und so weiter. Viele Kinder müssen das Singen für sich erst entdecken, weil es zu Hause in vielen Fällen nicht mehr praktiziert wird. Über diese Vereine werden Lehrer und Erzieher geschult, wie man das Singen in den Einrichtungen umsetzen kann.

Was bedeutet das Singen für Dich persönlich?
Singen ist mein Leben. Das Schlimmste für mich wäre, wenn ich meine Stimme verlieren würde. Das Singen hat mich mein ganzes Leben lang positiv begleitet, mir sehr viele positive Erinnerungen geschaffen, und mich immer nach vorne gebracht.

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Zur Person

© Alte Bekannte

Nachdem Nils Olfert fast neun Jahre bei den "Wise Guys" bis zur Bandauflösung 2017 aktiv war, hat er sich mit vier anderen Musikern zu einer neuen A-Cappella-Formation zusammengetan: „Alte Bekannte“.

Anfang des Jahres 2019 erobern sie mit ihrem Debütalbum „Wir sind da!“ (Einstieg auf Platz 23 der Charts) und dem dazugehörigen Live-Programm die Bühnen im deutschsprachigen Raum.

Die Musik von Alte Bekannte steht dabei in der Tradition der Wise Guys – Popmusik ohne Instrumente mit richtig guten deutschen Texten. Humorvoll, bissig, emotional.

Mehr Infos zur Band

Tu, was zu tun kannst.
Und dann ist gut, denn mehr geht nicht.
Alles weitere kann ich in die Hände Gottes legen
und darauf vertrauen, dass er es wohl gut mit mir meint.
(Carsten Tag zu Prediger 9,10)

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